Seiten

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Und wieder treffen Kulturen aufeinander: Das Zeitgefühl der Mexikaner

Wir sind in Escarcega, einer eher unschönen Stadt, die überwiegend der Rast für den Durchgangsverkehr dient. Die Strecke hierher war ebenfalls nicht der Knüller, aber vermutlich wird das bis zum Erreichen der Ostküste so bleiben. Gehört dazu und einfach mal Kilometer schrubben ist auch mal eine Abwechslung. Die richtige Abwechslung haben wir aber jetzt: Wir machen gerade Bekanntschaft mit dem mexikanischen Zuverlässigkeit... Wir dachten, wir sind auf unserer Reise recht gelassen geworden, aber das, was wir hier gerade erleben, überzeugt uns vom Gegenteil!:-)
Also: Bevor wir uns auf den Weg nach Chetumal machen, möchten wir nun doch noch mit dem Bus nach Palenque fahren. Ein Abstecher, der uns mit den Rädern zuviel wird, also Bus. Heißt, wir lassen Räder und Gepäck in Escarcega, packen unseren Rucksack und fahren hin, übernachten dort und kommen den darauffolgenden Tag wieder. Das hört sich einfach an. Aber dann geschah folgendes:
Wir erreichten Escarcega gegen 15 Uhr, 2 fette Unwetterfronten kamen von Nord und Süd auf uns zu, wir schafften es gerade noch bis zu einem ansprechenden Hotel, als der einstündige Starkregen begann. Natürlich fragten wir gleich, ob die Gepäck- und Fahrradaufbewahrung möglich ist. Antwort des Rezeptionisten: "Ja, bestimmt. Die Fahrräder auf jeden Fall, aber ich kann das nicht entscheiden, Chef entscheidet." Ans Telefon ging dieser aber nicht. Er nochmal: "Ich glaub schon, dass das geht. Aber entscheiden darf ich nichts." Wir kennen solche Antworten schon aus Asien, aber was blieb uns übrig? Bei dem Regen war es unmöglich, ein anderes Hotel aufzusuchen. Also lautete unser Entschluss: Lassen wir doch einfach das Schicksal entscheiden. Andernfalls fahren wir morgen eben Richtung Ostküste. Der Chef sollte zwischen 18 und 19 Uhr kommen. Wir gehen gegen 18.45 Uhr runter: Chef nicht da. Aber der nette junge Mann hatte ihn telefonisch erreicht: "Kein Problem. Fahrräder können da bleiben!" Wir:"Und das Gepäck?" Er:"Das habe ich ihn nicht gefragt". Wir: "Aha, das ist aber wichtig. Wann kommt er denn?" Er:"Zwischen 8 und 9." Wir wieder aufs Zimmer. Natürlich war der Chef auch um 9 Uhr nicht zu sehen, wir bekamen die Auskunft, das wir das Gepäck schon da lassen könnten, aber auf keinen Fall am Zimmer und unten ist eigentlich auch nur Platz für die Fahrräder. Wir diskutierten noch eine Weile und gingen dann ratlos wieder aufs Zimmer. Wir entschieden dann, Palenque bleiben zu lassen. Das Gepäck hätte irgendwo im Durchgang gestanden und bei den vielen Besuchern war uns nicht wohl dabei. Heute morgen fuhren wir, nachdem wir noch eingekauft hatten, los in Richtung Ostküste. Der Himmel war grau-schwarz, wir hatten heftigen Gegenwind und nach 10km kehrten wir um. Das sah uns zu arg nach Dauerregen aus. Wir suchten uns nun in aller Ruhe ein neues Hotel und nutzen die Zeit, um uns mal über Belize zu informieren. Ergebnis: zu teuer für das, was geboten ist. Ich war vor allem neugierig auf die Leute und wollte ein paar Tage am Strand abhängen, aber für ein paar Tage passt das Land unterm Strich nicht in unser Weltreise-Budget, zumal wir nicht tauchen und damit die Hauptattraktion, das Blue Hole, für uns nicht infrage kommt. Schade, aber Strand haben wir auch in Mexiko und da gehen wir dann auch hin. Aber zuvor, dachten wir uns, können wir ja doch noch nach Palenque fahren:-). Uns wurde gesagt, es sei eine Sünde, dies nicht zu tun. Laut Reiseführer die eindrucksvollste aller mexikanischen Mayastätten. Also, neuer Versuch in neuem Hotel: Auf unser Fragen hin hieß es (Kurzversion, wir haben ca. 20 Min. diskutiert, auf gebrochenem Spanisch mit Händen und zuguterletzt einem Spanischwörterbuch): "Kein Problem. Das ist möglich. Wir müssen noch den Chef fragen, wo wir das Zeug unterbringen." Der Chef war zufällig gerade da. Chef sagt: "Ja, das geht. (...)" Wir einigten uns auf ca. 6 Uhr früh, um die Sachen einzulagern und machten uns auf den Weg zum Busticketschalter. Dort hieß es, wir müssen um 6 Uhr beim Bus sein, also sollten wir schauen, dass wir den ganzen Kram heute abend schon verstauen - bei der Mentalität stehen wir morgen ne Stunde da, haben immernoch nichts verstaut und der Bus ist ohne uns auf dem Weg nach Palenque... Auch hier wieder: "Klar, das ist besser." Wir sollen das Zeug dann runterbringen. Als wir ein paar Stunden später startklar waren, war nur ein tief und fest schlafender Angestellter da. Aufwecken unmöglich. Ich sag zu Thomas: "Na komm, warten wir einfach hier. Wir sind in Mexiko;-)". Später kam die uns bekannte Rezeptionistin: der Chef, der den Schlüssel hat, ist gerade beim Essen. "Besser heute abend." Wir gingen erstmal nen Kaffee trinken. Auf dem Rückweg war Chef dann da, wir gleich hin. Chef sagt: "Oh, um 21 Uhr. Ich muss erstmal schauen welches Zimmer frei ist". Thomas meint zu mir: "Je mehr Druck, desto weniger geht." Ich frage ihn:"Meinst du, wir machen Druck?" Vermutlich... Bevor wir nun wieder aufs Zimmer gehen, kaufen wir uns ein Bier. Das entspannt und bringt uns vielleicht ein bißchen in Richtung des Entspanntheits-Levels der Mexikaner;-)
Hatte ich nicht im letzten Eintrag noch von der mexikanischen Entspanntheit geschwärmt? Alles relativ;-) Wir haben die Bustickets, haben gepackt und warten nun weiter. Es ist 19 Uhr. Ob das nun um 21 Uhr etwas wird? Wir werden sehen...

Update um 22.30 Uhr
Wir sind sprachlos. Die Rezeption ist heute abend von einem Jugendlichen besetzt, der abwechselnd am Handy hockt und zu seinen Kumpels auf der Straße geht und nebenbei Fußball schaut. Er kann uns nicht helfen, klopft immer wieder beim Büro des Chefs an, drinnen läuft ein extrem lauter Fernseher, der Junge meint, sein Chef telefoniere. Er geht wieder zu seinen Kumpels. Wir klopfen, warten, schweigen vor Fassungslosigkeit. Mücken stechen, erstmals steigt Wut auf. WAS SOLL DAS??? Wir klopfen und klopfen, geben auf. Wollen die Bustickets zurückgeben - geht nicht mehr. 40€ in den Sand gesetzt. Wir haben keine Lust mehr auf Palenque, Escarcega, wollen nix wie weg hier. Aaaaahhhhrrrgggg.... 16 Monate auf Weltreise und wir lernen immer noch dazu...